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#1: Elemente der Zufriedenheit, wahre Bedürfnisse und glückliche Ziele

Aktualisiert: 26. Apr. 2024

Inhalte:


Elemente der Zufriedenheit: Verschiedene Formen und Farben.

1. Emilias glückliche Aktivität - sollten wir alle eine haben?

Als leidenschaftlicher Sportler habe ich schon früh versucht, unsere älteste Tochter Emilia zu Sport im Verein zu motivieren. Ich war davon überzeugt, dass ein früher Einstieg die Chancen auf eine Karriere erhöhen würde. Emilia hatte aber keinen Bock auf Vereinstraining. Wenn ich Sie fragte „Hast du Lust auf ein Probetraining?“, verdrehte sie meistens leicht nervös die Augen.


Wir versuchten sie für die unterschiedlichsten Sportarten zu begeistern und waren auch mehrere Jahre hintereinander Fixstarter auf Veranstaltungen, bei denen man alles Mögliche ausprobieren konnte. Emilia fand diese Nachmittage immer toll, aber sie weigerte sich entschlossen, in einem Verein zu beginnen.


Wenn Sport, dann immer nur mit der Familie. Aber sie hatte schon immer Talent, das nicht „verschwendet“ werden sollte. Ich zeigte ihr einige Grundbewegungen beim Skifahren, sie machte sie nach und fegte kurze Zeit später die ersten Hänge alleine hinunter. „Aber du weißt doch, ich will mit EUCH fahren!“, war ihre Standardantwort auf meine Frage, ob sie nicht vielleicht doch einen Skikurs machen wolle.


Es schmerzte mich zu sehen, dass sie ihre Begabungen nicht im Rahmen einer sportlichen Organisation weiterentwickeln wollte. Obwohl wir vieles versuchten, würde es vielleicht auf das selbe hinauslaufen wie bei uns. Wir hatten die Möglichkeit Profikarrieren einzuschlagen nicht, oder vielleicht nicht wahrgenommen. „Es hätte mir etwas gegeben“, denke ich mir hin und wieder. Und vielleicht würde es auch Emilia in ein paar Jahren so gehen.


Etwas, das Emilia seit einiger Zeit Spaß machte, war das Turnen. Aller Anfang war schwer, aber der Wettbewerb unter den Klassenkolleginnen förderte die Ambition und die Ambition das Training. Emilia war mittlerweile 11 und übte für sich fast jeden Tag - in der Schule und Zuhause. Die Trainingsmatte war, zur Freude aller, fixer Bestandteil des Wohnzimmers. In der Klasse gehörte sie zu den besten Turnerinnen und ihre Motivation war im Wettbewerb weiter gewachsen. Die Veränderung ihrer Fähigkeiten bis zu diesem Zeitpunkt kann am besten mit dem Wort „exponentiell“ beschrieben werden.


Jede ihrer Turner-Freundinnen wollte ein Aerial (ein Rad ohne sich mit den Händen/Armen abzustützen) schaffen. Trotz unzähliger Youtube Videos und stundenlangem Training hatte es dafür bisher nicht gereicht. Sie war vor einer riesenhohen Wand angekommen und wusste vorerst nicht, wie sie sie überwinden sollte. Und genau das brachte sie zu mir. Zuerst dachte ich, ich hätte mich verhört. „Hast du gerade gesagt, ich will in einem Gymnastikverein beginnen?!“ Ihr „Ja, was sonst.“ wurde nur vom imaginären Knallen der Korken übertönt. Mein Gesicht war innerhalb einer Millisekunde vor Aufregung rot geworden.


Ein paar Tage später hatte sie ihr erstes Probetraining. Überraschenderweise war es nicht wirklich aufgefallen, dass sie neu dort war. Ihr Niveau war ziemlich gut und sie war happy, dorthin gegangen zu sein. Ob es für eine Profikarriere reichen würde, wusste man noch nicht, aber es war schön zu sehen, dass es ihr Spaß macht.


2. Die drei Elemente der Zufriedenheit

Diese Geschichte soll das Grundkonzept von Zufriedenheit veranschaulichen. Die Zutaten für Zufriedenheit / Wohlbefinden sind...


  1. regelmäßige positive Emotionen,

  2. selten negative Emotionen und

  3. eine positive Bewertung des eigenen Lebens als Ganzes.


Im Prinzip geht es also darum, bewusst das zu machen, was vor allem positive Emotionen auslöst. So wie Emilia, die turnt, weil es ihr Spaß macht, nicht weil sie muss.


Das hört sich in der Theorie ganz einfach an, aber im Alltag machen wir oft Dinge, die uns nicht glücklicher machen. Es kann sein, dass man nicht immer weiß, was es ist, das uns gut tun würde. Manchmal ahnt man es, hat aber andere Prioritäten. Das ist nur allzu verständlich, denn unsere Zeit und Energie sind täglich, und auch insgesamt, sehr begrenzt. Und weil das so ist, sollten wir uns auf das konzentrieren, was für uns wirklich wichtig ist, uns sozusagen die emotionalen Kirschen herauspicken. Wir selbst haben die Macht zu bestimmen, was wir machen. Entweder wir ertragen das Leben so wie es ist oder machen bewusst mehr von dem, was uns gut tut. Unsere Emotionen können uns helfen herauszufinden, was das ist.


3. Emotionen als Signale

Emotionen kann man mit einem Metalldetektor vergleichen. Er piept lauter oder leiser, je nachdem, ob man sich dem gewünschten Gegenstand nähert oder entfernt. So ist es auch bei Emotionen. Je nachdem, ob man sich einem Ziel (und somit der Bedürfnisbefriedigung) nähert oder entfernt hat man entweder positive oder negative Emotionen. Es ist auch relevant, wie wichtig das Ziel ist. Wie beim Metalldetektor, der je nach Größe und Beschaffenheit des Gegenstands anders piept, können Ziele intensivere und weniger intensive positive oder negative Emotionen auslösen. Sowohl negative als auch positive Emotionen können hilfreich sein. Negative Emotionen sollen uns bewusst machen, dass wir uns von dem, was wir anstreben, entfernen. Wie bei dem Spiel „heiß-kalt“ können wir nach einer negativen Emotion wieder eine andere „wärmere“ Richtung versuchen, um unser Ziel schließlich zu erreichen. Nicht alles, was wir finden, ist Gold. Das trifft auf Metalldetektor-Funde, aber auch auf erreichte Ziele zu. Das wirft die Frage auf, was gute Ziele sind.


4. Grundbedürfnisse, glückliche Aktivitäten und Ziele

Ziele sind oft darauf ausgerichtet, Bedürfnisse zu befriedigen. Es gibt verschiedene Arten von Zielen, die helfen alle möglichen Bedürfnisse zu befriedigen. Hier soll es aber vor allem um glückliche Ziele gehen. Glückliche Ziele sind jene, die uns Energie geben, uns widerstandsfähiger machen, und uns - unterm Strich - auch zufriedener machen. Ziele sind glückliche Ziele, sofern sie helfen, unsere psychologischen Grundbedürfnisse zu befriedigen. Es gibt davon drei - das Bedürfnis auf Selbstbestimmtheit, Kompetenz und soziale Verbundenheit. Glückliche Ziele (und auch glückliche Aktivitäten) sind also solche, die a) selbstbestimmt gewählt werden, die b) unsere Kompetenz und c) soziale Verbundenheit fördern.


a) Selbstbestimmtheit

Mit selbstbestimmt ist gemeint, dass Ziele auf den eigenen Werten und Präferenzen basieren sollten. Damit ist auch gemeint, dass die Zielerreichung über (glückliche) Aktivitäten läuft, die für uns persönlich wichtig und für sich genommen bereits eine Belohnung sind. Unterm Strich scheint der Weg zum Ziel wichtiger zu sein als das Ziel selbst. „Der Weg ist das Ziel“ heißt ein bekanntes Sprichwort. Tatsächlich wiegen die regelmäßigen positiven Emotionen auf dem Weg zu einem größeren Ziel meist schwerer als die Zielerreichung selbst, die meist nur zu einem kurzfristigen Hoch führt. Die Anhäufung von regelmäßig positiven Emotionen auf dem Weg kann zum Wachstum des Muskels der Zufriedenheit führen. Natürlich gibt es auch beim Verfolgen eines glücklichen Ziels immer wieder Rückschläge und damit verbundenen weniger positive oder sogar negative Emotionen. Meist sind es Signale, denen wir nachgehen sollten, weil sie uns helfen können, uns noch besser auszurichten. Rückschläge können hart sein, aber sie enthalten auch oft Informationen darüber, wie es für uns besser funktionieren könnte. Wie bei der Softwareentwicklung, wo Fehler zu immer besseren Updates führen. Tendenziell fällt es leichter, Hindernisse zu überspringen bei Aktivitäten und Zielen, die wir selbstbestimmt gewählt haben, weil sie mit unseren eigenen Werten und Präferenzen übereinstimmen. Wir können selbst entscheiden, ob wir das Leben „ertragen“ wollen, oder als Hauptakteure, die Aktivitäten und Ziele wählen, die uns wirklich wichtig sind. Egal was vorher war, haben wir jederzeit die Möglichkeit, eine Kurskorrektur vorzunehmen, und wenn sie noch so gering ist. So wie es für die eigene Zufriedenheit wichtig ist, selbstbestimmt zu handeln, ist es auch essentiell, die Selbstbestimmtheit bei anderen zu fördern. So kann man nicht nur anderen, sondern auch sich selbst etwas Gutes tun.


b) Kompetenz

Glückliche Ziele erleichtern das Aufbauen von Kompetenz. Kompetent sein, bedeutet etwas (und das kann alles Mögliche sein) gut oder sehr gut zu können. Kompetenz baut sich auf durch Wiederholungen. Es fällt leichter, etwas oft und über längere Zeit zu wiederholen, wenn die Aktivität für sich genommen bereits eine Belohnung ist. Machen wir etwas, weil wir es gerne machen oder wegen der zu erwartenden externen Belohnung oder Bestrafung? Wir müssen uns nicht für das eine oder andere entscheiden. Es ist möglich, beides zu kombinieren, aber der Ausgangspunkt sollten Aktivitäten sein, die wir auch über längere Zeit gerne machen. Die regelmäßigen positiven Emotionen, die sich aus der Aktivität selbst und durch Fortschritt (langsamer Aufbau von Kompetenz) ergeben, können zu mehr Wohlbefinden führen. Außerdem fällt es leichter, über glückliche Aktivitäten Kompetenz aufzubauen, was auch eine gute Basis für Erfolg und externe Belohnungen sein kann.

Auch Kommunikation spielt beim Aufbau von Kompetenz eine wichtige Rolle. Einerseits mit sich selbst, aber auch mit dem Umfeld. Die Idee ist, dass Kommunikation ein Beschleuniger sein kann für den Aufbau von Kompetenz. Sie soll uns und anderen einerseits Selbstvertrauen geben und andererseits zeigen, wo noch Raum für Verbesserung ist. Zu diesem Zweck können „Selbstgespräche“ und Gespräche mit anderen in zwei Teile unterteilt werden: I like, I wish. „Like“ kann für etwas stehen, das man gut hinbekommen hat, das man mag, oder für das man dankbar ist. „Wish“ steht für etwas, das man bei nächster Gelegenheit gerne ändern würde. Wir kennen es alle, manchmal konzentrieren wir uns auf die negativen 5-10 % und vergessen dabei das Gute zu erwähnen, das uns und anderen aber gut tun würde.

Im letzten Sommer war ich in Duna Verde an der italienischen Adriaküste auf Urlaub. Beim Tennis mit meinem Schwiegervater ist mir aufgefallen, dass ich mich bei jedem Schlag, der daneben ging, selbst niedermachte mit entsprechenden negativen Kommentaren. In solchen Situationen kann „I like, I wish“ einen positiven Effekt auf das Selbstvertrauen und auch auf den Spielverlauf haben. Bei mehreren riskanten Schlägen sah ich bewusst einerseits den eigenen Mut, aber auch die Möglichkeit Schläge zu testen, die zu einem sichereren Punktgewinn führen würden. Mit anderem Worten konzentrierte ich mich nicht auf das Negative („den schlechten Schlag“), sondern auf das Potential. Auch wenn ich nicht gewonnen habe, war ich happy, mental stärker zu werden. Nicht nur beim Tennis, sondern im Leben allgemein. „Freundliche“ Kommunikation tut nicht nur uns, sondern auch unserem Umfeld (z.B. den Kindern oder auch Kolleg:innen) gut.


c) Soziale Verbundenheit

Laut einer Havard-Studie, die seit 1938 läuft, sind es vor allem gute soziale Beziehungen, die uns zufrieden machen und helfen, länger zu leben. Das deckt sich auch mit der aktualisierten Maslowpyramide, in der 4 von 7 Ebenen Beziehungen betreffen. Wie sich soziale Beziehungen auf unser Leben auswirken, hängt von zwei Dingen ab. Der Häufigkeit und der Qualität unserer Beziehungen. Glückliche Ziele sind also Ziele, die regelmäßige freundliche soziale Kontakte ermöglichen und fördern, mit der Familie, den Arbeitskolleg:innen und auch wenig Bekannten oder Unbekannten. Diese Interaktionen erzeugen oft zusätzliche Energien zum Aufladen der eigenen Batterien.


5. Eine Frage für dich

Das bringt uns zu einer Frage, deren Beantwortung uns persönlich erfolgreicher und auch zufriedener machen kann:


Welche täglichen Aktivitäten geben dir, welche rauben dir Energie?


Versuche an deine „schönen Tage“ zu denken und daran, was diese Tage ausmachen. Vielleicht gelingt es dir, „Routinen“ zu finden, die einen normalen zu einem schönen Tag werden lassen.


Bitte denke vor allem an Aktivitäten, die für sich genommen bereits eine Belohnung sind, die dir etwas geben oder die du gerne machst. Vielleicht ist es auch Zeit, etwas Neues auszuprobieren oder zu machen, was du schon immer machen wolltest. Du bist die Hauptdarstellerin / der Hauptdarsteller in deinem Leben, das zu kurz ist, um schlechten Wein zu trinken.


Dinge, die für mich die Basis für energiegeladene Tage sind, sind 1) ca. 8 Stunden Schlaf; 2) mehrere freundliche soziale Kontakte; 3) ausreichend Bewegung; und 4) etwas besser werden (=Fortschritt machen) oder anderen dabei zu helfen, etwas besser zu werden.


Wie gesagt, glückliche Aktivitäten und Ziele sind solche, die im Einklang mit unseren Präferenzen und Werten sind (also selbstbestimmt gewählt wurden) und möglichst unsere Kompetenz und soziale Verbundenheit fördern. Und vergiss nicht: So wie ein Metalldetektor hilft, wertvolle Gegenstände zu finden, können unsere Emotionen (positive und negative) helfen, die für uns passenden Ziele und Aktivitäten zu mehr Zufriedenheit zu finden.


Bis bald,

Matthias



6. Quellen:


Diener, E. 1984. "Subjective well-being." Psychological Bulletin, 95(3), 542–575. https://doi.org/10.1037/0033-2909.95.3.542.


Hawk Ryan, Gastgeber, "#552: Brian Johnson - How To Activate Your Heroic Potential, Develop Charisma, Become Intrinsically Motivated, Build Emotional Stamina & Live With Arete", https://podcasts.apple.com/at/podcast/the-learning-leader-show-with-ryan-hawk/id985396258?i=1000633784778.


Kenrick DT, Griskevicius V, Neuberg SL, Schaller M. 2010. "Renovating the Pyramid of Needs: Contemporary Extensions Built Upon Ancient Foundations." Perspectives on Psychological Science : a Journal of the Association for Psychological Science: 292-314. DOI: 10.1177/1745691610369469. PMID: 21874133; PMCID: PMC3161123.


Moss, S. A., & Wilson, S. G. 2015. "The positive emotions that facilitate the fulfillment of needs may not be positive emotions at all: the role of ambivalence." Explore (New York, N.Y.), 11(1), 40–50. https://doi.org/10.1016/j.explore.2014.10.006.


Waldinger, R. & Schulz, M. 2023. The Good Life - Lessons from the World's Longest Scientific Study of Happiness. New York: Simon & Schuster.




 
 
 

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